Braucht Storytelling denn Gschichtldrucker?

Storytelling geht schon länger durch die Marketing-Welt. Zu Beginn eher als Bullshit-Bingo Begriff verwendet, wird Storytelling nun langsam ernstgenommen. Nun sprechen nicht nur Marketing-Pioniere und Kommunikations-Konferenzen-Hopper über Storytelling, sondern auch Entscheider in Unternehmen nehmen sich dem „Geschichten erzählen“ an.

Aber woher kommt dieser – vielleicht doch eher plötzliche – Erfolg von Storytelling?

Geschichten haben wir ja immer schon erzählt und erzählt bekommen. Die Märchen im Kindheitsalter, die Zeichentrick-Serien im TV, die ersten Kinobesuche und selbst geschriebene Erlebnisberichte vom letzten Sommer als Schulaufsatz. Viele von uns haben aber im Laufe ihrer Jugend die Geschichten verloren. Man wird auf den „Ernst des Lebens“ vorbereitet und da ist oft kein Platz für Geschichten. Und Geschichten sind nicht immer positiv besetzt. In der österreichen Sprache gibt es den Begriff „Gschichtldrucker“ – was so viel wie „Lügner“ heißt. Aber Geschichten sind keine Lügen, denn auch Lügengeschichten sind Geschichten. Und genau da kommt der Konnex zur Kommunikation. Wir leben doch schon seit Jahrzehnten mit Lügen in der Werbung. Von „weisser als weiss“ (welche Farbe ist das dann eigentlich?) bis „Bauchfett weg in 3 Tagen“ (Bauchfett, dass wir uns jahrelang auf die Hüften gearbeitet haben). Auch das ist Geschichten erzählen, aber mehr das „Gschichtldrucken“ als das Storytelling, wie es jetzt in der Marketing- und Kommunikationsbranche verstanden wird.

Aber was heißt nun Storytelling wirklich? Wikipedia meint dazu: „Storytelling (deutsch: „Geschichten erzählen“) ist eine Erzählmethode, mit der explizites, aber vor allem implizites Wissen in Form einer Metapher weitergegeben und durch Zuhören aufgenommen wird. Die Zuhörer werden in die erzählte Geschichte eingebunden, damit sie den Gehalt der Geschichte leichter verstehen und eigenständig mitdenken. Das soll bewirken, dass das zu vermittelnde Wissen besser verstanden und angenommen wird.“. Storytelling soll also involvieren und zum nachdenken anregen. Und Storytelling ist spannend.

Genau da unterscheidet sich Storytelling von platter Werbung. Auch Werbespots können Geschichten erzählen, uns in eine andere Welt entführen, zum nachdenken anregen und Wissen vermitteln. Aber leider sind die meisten Werbespots einfach platt und recht inhaltslos. Und Storytelling ist nicht platt. Storytelling ist lebendig, farbig und phantasievoll – auch oder vielleicht sogar gerade bei komplexen Themen. Denn die wahre Kunst des Storytellings ist es, auch schwierige Themen auf den Punkt zu bringen, für die Leser interessant und fesselnd zu gestalten und so zu begeistern, dass man sich gerne weiterhin mit dem Thema und dann auch vielleicht mit dem werbetreibenden Unternehmen beschäftigt.

Storytelling ist die Zukunft der Kommunikation. Denn die Konsumenten haben keine Lust mehr mit irgendwelchen Lügengeschichten verarscht zu werden, sie möchten klare Kommunikation, gerne auch verpackt und mit Mascherl, aber beim Auspacken muss das drinnen sein, was sie erwarten – und kein Zettel mit dem Hinweis „Leider nein“. Toll verpackte Kommunikation muss auch halten was sie verspricht. Hohe Erwartungen schüren und Enttäuschungen zu erleben führen nicht zu der so oft gepriesenen Kundenbindung. Storytelling muss auch ausgepackt ein schönes Geschenk sein, aber darf natürlich verpackt werden. Storytelling braucht wohl sogar eine Verpackung, um überhaupt mal zwischen diesen anderen wunderschön verpackten „Kommunikations-Päckchen“ beachtet zu werden. Ein hässliches Entlein (eine schöne und lehrreiche Geschichte) hat in der Kommunikation wohl wenig Chance ein wunderschöner Schwan zu werden, weil man dem Entlein nicht die notwendige Beachtung schenkt. In der Werbung bekommt man meist den Schwan präsentiert, der sich dann beim „Auspacken“ in ein hässliches Entlein verwandelt. Beim Storytelling sollten man den Schwan sehen, der dann auch ein Schwan bleibt. Ein Schwan, den man – vielleicht auch erst im Laufe der Zeit – wirklich lieb gewinnt. Aber mit dem man sich von Beginn an beschäftigt, weil er ein besonders interessanter Schwan ist – vielleicht nicht der schönste, aber der mit der meisten Ausstrahlung.

Suchen wir also in unserer Kommunikation die Schwäne mit Ausstrahlung und entfernen wir uns langsam von dieser Schönheitskonkurrenz der Schwäne. Das ist Storytelling – so einfach und doch so schwierig.

Wie man mit Storytelling zu guten Geschichten kommt.